Rellingen - Allerlei

Baumschulenweg

Eine Leseprobe aus dem Buch:
“Wie die Karl-Bunje-Straße zu ihrem Namen kam”
Geschichten um Rellinger Straßennamen, 1992, 167 Seiten
Herausgeber: Walter Koop, 25462 Rellingen, Gaselhorn 6,
Das Buch befasst sich mit der Entstehung der Rellinger Straßennamen und ist das Resultat einer über acht Jahre dauernden Recherche. Aktuelle Ergänzungen bringen das Werk auf den jeweils gültigen Stand.
Das reich illustrierte, fest eingebundene Buch ist zum Preis von 17 Euro € direkt bei dem Autor erhältlich.

Baumschulenweg

Zwischen einer Verkaufsstelle für zartbesaitete Würste und einem Spielwarengeschäft zweigt von der Hauptstraße der Baumschulenweg ab. Sein Name soll auf eine ungefähr 150jährige Baumschulenindustrie, eine “Industrie ohne Schornsteine“ in Rellingen hinweisen. Die Baumschulenwirtschaft war und ist das wesentliche Charakteristikum unseres Gebietes. Sie bestimmt weitgehend das Gesicht der Landschaft und die Struktur der Wirtschaft.
Was ist nun eigentlich eine Baumschule und warum das Wort Schule? Baumschulen sind je nach Kulturstruktur gärtnerische oder forstwirtschaftliche Betriebe, in denen Pflanzen auf generativem und vegetativem Wege überwiegend auf Freiland vermehrt und bis zur Verkaufsreife herangezogen werden. Die generative Vermehrung erfolgt durch Saat und die vegetative durch Steckholz oder - wie der Laie sagen würde - durch Ableger. In beiden Fällen kommt es darauf an, eine möglichst große Anzahl gleicher Pflanzen in einheitlichen Größen und guter Qualität zu erzeugen. Dabei ist die wichtigste Arbeit das “Verschulen“ und verschulen heißt nichts anderes als verpflanzen. Bei der Aussaat oder beim Stecken benötigt der kleine Steckling wenig Platz, wird er größer, muss ihm mehr Raum gegeben, er muss also verschult werden.
Warum hat sich gerade hier im Rellinger Gebiet, im Kreise Pinneberg, das größte zusammenhängende Baumschulengebiet der Erde entwickelt? Nun, einer der Hauptgründe wird vielleicht nicht gefallen. Der Kreis Pinneberg hat eine ausreichende Regenmenge, 740 mm im langjährigen Durchschnitt. Der Regen fällt zudem zur rechten Zeit, nämlich dann, wenn ihn die jungen Pflanzen für das An- und Weiterwachsen benötigen. Das maritime Klima bietet für die Baumschulkulturen aber noch weitere Vorteile. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch und ein ständiger Wind hält die Luft in Bewegung. Die Tag- und Nachttemperaturen unterscheiden sich wenig, lange und harte Frostperioden und Spätfröste sind selten. Alles dieses schafft günstige Klimaverhältnisse für Baumschulen. Eine weitere günstige Voraussetzung bilden die Bodenverhältnisse, die eine intensive Wurzelbildung ermöglichen.

Mancher Rellinger Freizeitgärtner hat sich im übrigen mit der Anzucht von Pflanzen einen Nebenverdienst verschafft. Wie mancher Hausbesitzer zur Verbesserung der Kasse Menschen in Kost und Logis nahm, so nehmen viele Rellinger Pflanzen “in Kost“, so sagt man in Fachkreisen. In Rellingen betrieb J. Fr. Müller die ersten Baumschulkulturen, nämlich Knick- und Heckenpflanzen, die nach mündlicher Überlieferung bis um 1840 zurückreichen sollen. Müller erhielt seine gärtnerische Grundausbildung in der ersten Baumschule dieser Gegend, bei Booth in Klein-Flottbek und machte sich um 1870 herum selbständig. Der erste Betrieb von Müller lag in der Hohlen Straße Nr.2. Später zog er an die Hauptstraße Nr. 129 und bepflanzte 1903 schon eine Fläche von 25 Hektar.
Zahlreiche Gärtnergehilfen, die bei Müller arbeiteten, gründeten in der Folge zeit eigene Betriebe. Unter anderem auch Conrad Maaß, welcher seinen Betrieb am Baumschulenweg eröffnete. Der Betrieb befand sich dort, wo jetzt ein Teil des Dahlienhofes steht und reichte bis an die Hauptstraße.
Der Baumschulenweg ist weitgehend von Ein- und Mehrfamilienhäusern gesäumt. Nicht zu übersehen ist der Hinweis auf das Büro des SPD-Ortsvereins Rellingen, das sich seit 4. Februar 1978 im Haus Nr. 4 befindet. Auf dem Grundstück des Nachbarhauses Nr. 2 befand sich noch bis in die fünfziger Jahre hinein ein Ziehbrunnen.
Der Straßenverlauf läßt sich auf alten Karten bis in die Zeit von 1789 zurückverfolgen. Er erstreckt sich von der Hauptstraße in nördlicher Richtung auf einem Geestrücken über das Große Feld (Grotefeld) bis zur Tangstedter Straße.
Am unteren Ende des Baumschulenweges wurde jahrzehntelang Kies und Sand abgebaut; die Kiesgrube versorgte die Rellinger Maurermeister und ebenfalls im großen Umfange die Rellinger Baumschulen mit gelbem Erdreich. Durch den Abbau kamen kleine archäologische Funde an das Tageslicht, amtlich bekannt sind zwei Schaber aus Flintstein. In dem Buch der Vorgeschichte des Kreises Pinneberg ist dieser kleine Fund wie folgt beschrieben:
In der Sammlung F. Reichel, Uetersen, befinden sich unter der Fundortbe zeichnung “Rellingen, Kiesgrube Oelting“ neben einigen groben Abschlägen folgende Geräte:
a) grober, graubrauner Schaber mit verdicktem Basisende und zungenartiger, grobflächig und unregelmäßig retuschierter Arbeitskante. Länge 13,3; Breite 7,3 cm.
b) dunkelbraunes, dickes, kegelstumpfförmiges, schabenartiges Gerät, sehr grob und unregelmäßig bearbeitet. Länge 9,6; Breite 6,6; Dicke 4 cm.
Von beiden Fundstücken ist eine Zeichnung vorhanden.
Als Mitte der sechziger Jahre in der verlassenen Kiesgrube eine große Asphaltanlage ihre Produktion aufnehmen sollte, erhoben die Anwohner vom Baumschulenweg, Voßmoorweg und Dichterviertel lauthals Protest. Mit Erfolg. Die bereits installierte Anlage durfte nicht eingesetzt werden und wurde abgebaut.
Die “Produktion“ von Baumschulpflanzen stört dagegen die Anwohner wenig. Was stört, ist nach wie vor der Betriebslärm einer Betonfabrik.
Seinen Namen erhielt der Baumschulenweg am 8. Januar 1934. Er trägt diesen Namen auch heute noch zu Recht. Denn im weiteren Verlauf der Straße befinden sich hier einige Baumschulbetriebe mit großen Anbauflächen. Die modernen Zeiten haben jedoch auch die Bezeichnungen geändert. Aus dem Baumschulen- weg wurde eine gut ausgebaute Straße. Betriebsbezeichnungen von Baumschulen änderten sich ebenfalls, jetzt heißt es zum Beispiel Holsten-Plant oder auch Baumschul-Kontor-Nord. Was ändert der Name schon? Freuen wir uns doch über unsere umweltfreundliche Baumschulindustrie.

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