Rellingen - Allerlei

Schirmers Ruh

Übersicht von R.Miller, ergänzt um Pressetexte von 1901-1902

Schirmer’s Ruh - Ein Schmuckstück in Rellingen

„Schirmer’s Ruh’“ ist eine der schönsten Villen im Kreis Pinneberg. Dieses prächtige dreigeschossige Gebäude wurde 1901 als Alterssitz für den Hamburger Schankwirt/ Restaurantbesitzer Adolf, Bernhard Schirmer im Rellinger Westen an der Hauptstraße 137 erbaut.

Für mich war diese Villa von Kindheit an immer etwas Besonderes, und das nicht nur der Größe wegen. In der benachbarten Gärtnerstraße aufgewachsen, konnte ich direkt miterleben, was sich in den vergangenen gut 60 Jahren in und um „Schirmer’s Ruh’“ ereignete. Ich „erlebte“ die Veränderungen und sehe auch heute noch, was so mit „Schirmer’s Ruh’“ passiert.

Heute, nach über 100 Jahren seit Baubeginn, ist diesem Gebäude das Alter nicht anzusehen. Nein, im Gegenteil, die Villa wurde in den vergangenen 30 Jahren immer schöner. Seit 1968 nämlich wird „Schimmer's Ruh“ renoviert und restauriert. Besonders schnell und dennoch gründlich und getreu nach den historischen Unterlagen wurde seit dem Besitzwechsel 1994 renoviert. Die neue Nutzung als Firmendomizil sowie fest vorgegebene Umzugstermine erforderten ein schnelles und planvolles Handeln.

Während der Renovierung, oft genug war es eine Grunderneuerung, tauchten immer wieder Probleme, aber auch angenehme Überraschungen auf. Ich selbst hatte das Glück, die Villa einmal während dieser Arbeiten besichtigen zu können. Ich konnte sehen, wie ein Maler im „Herrenzimmer“ das Deckengemälde von einer dicken Schicht unzähliger weißer Farbanstriche befreite und so ein Deckengemälde mit den Berufszeichen-Symbole des Bauherren „freilegte“.

Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten kann man nur erahnen, welche Mühe, Sorgfalt, Sachverstand und sicherlich auch Geld in diesen Bau gesteckt wurde.

Was leider fehlt und auch unwiederbringlich verloren ist, sind die ehemaligen Nebengebäude. Es handelt sich dabei um das große „Kutscherhaus“ mit Garage, Pferdestall und Wohnung sowie einem „Gasometer“ genannten Heizungshaus mit ein oder zwei dazugehörenden Treibhäusern. Das „Kutscherhaus“ befand sich in einem Abstand von 1,35 Meter südlich von der hinteren Veranda und bildete zusammen mit der Villa eine Einheit, ließ die große Villa nicht so allein und gewaltig auf dem Grundstück stehen. Das „Kutscherhaus“ war dem Stil des Haupthauses angepasst. Oberhalb des Pferdestalles blickten zwei hübsche Pferdeköpfe herab. Dieses „Kutscherhaus“ war mit einem Turm, einem quadratischen Turm und einem Turmzimmer ausgestattet.

Ein Ruhesitz für den gesamten Lebensabend einer Familie ist „Schirmer’s Ruh’“ bis zum heutigen Tage nie gewesen. Auch der Traum des Bauherren seinen gesamten Lebensabend in „Schirmer’s Ruh“ zu verleben, ging nicht in Erfüllung, ist ein Traum geblieben. A. B. Schirmer zog als 55jähriger im April 1908 von Hamburg in sein „Schirmer’s Ruh'“ und lebte dort bis zum Juni 1923. Als knapp 70jähriger verließ er seinen Ruhesitz und zog nach (Hamburg) Altona in die Lessingstraße und starb dort drei Jahre später.

Auch die späteren Besitzer verlebten hier nicht ihren Lebensabend, zogen vorher aus und wohnten mit Untermietern zusammen. Vielleicht war das Anwesen für eine Familie einfach zu groß oder der Unterhalt auf Dauer einfach zu teuer. Oft waren es auch die widrigen Umstände. Auch Wilhelm Dietl, welcher beispielsweise über 40 Jahre in diesem Haus lebte und wohl um 1944 Rentner wurde, konnte seine Ruhe nicht ungestört genießen. Mit dem 2. Weltkrieg kamen die Bomben, Flüchtlinge und 1945, nach Kriegsende, kamen die Engländer und quartierten sich als Besatzungsmacht ein. In dieser schlimmen Nachkriegszeit wurde fast jedes Zimmer mit einer Koch- oder Heizgelegenheit ausgestattet. Später wurde das prächtige und großzügige Treppenhaus zu den einzelnen Geschossen hin mit Wänden und Türen abgetrennt, um Heizkosten zu sparen und eine Trennung der einzelnen Partien zu erreichen.

Die Villa wurde aber nicht nur als Wohnhaus genutzt. In der Nachkriegszeit wohnten und / oder praktizierten hier in „Schirmer’s Ruh'“ u. a.  2 Ärzte, 1 Rechtsanwalt und Notar, 1 Architekt sowie ein Landschaftsarchitekt.

Der Orthopäde Dr. Dümmer hatte hier um 1949 seine Praxis; die vordere Veranda bildete dabei das Wartezimmer.

Die Familie Oelting plante, so war es jedenfalls in der Presse zu lesen, die Villa zum stilvollen Schirmer’s Bistro & Restaurant umzubauen. Vorhandene Handskizzen von Oelting waren sogar mit „Hotel - Restaurant“ bezeichnet. Diese Pläne zerschlugen sich alle, waren eben wohl doch nur ein Traum wie so viele Träume, welche in diesem Haus geträumt wurden.

Was geblieben ist, ist die Villa „Schirmer’s Ruh“. Sie ist schön anzusehen mit den vielen Erkern und den blitzenden Dachpfannen. Freuen wir uns darüber, und hoffen dass sich auch noch weitere Generationen darüber freuen können.

Zum Schluss noch eine Bitte. Ich habe mich bemüht, über „Schirmer’s Ruh'“ einige interessante Dinge zusammenzutragen. Es war sehr schwierig, da Zeitzeugen aus den ersten fünfzig Jahren fehlen bzw. ich sie noch nicht ermitteln konnte. Es bestehen noch große Informationslücken, es fehlen oft noch die Zusammenhänge. Was fehlt sind vor allen Dingen Fotos von den Nebengebäuden. Weiterhin interessiert mich auch noch, wer hier wann gewohnt hat usw. Helfen Sie doch bitte, diese Lücken zu schließen!


Aus der Presse 1901/1902, Herkunft: Walter Riepen, Rellingen

Pinneberger Wochenblatt, Dienstag, den 8. Januar 1901
Diesen Sommer wird Restaurateur Schirmer aus Hamburg auf seinem Grundstück zwischen Pinneberg und Rellingen eine prachtvolle Villa errichten lassen. Der in Aussicht genommene Prachtbau, welcher bereits in einer Zeichnung von einem hervorragenden Architekten ausgearbeitet und den betreffenden Baumeistern behufs der Submission zugegangen ist, wird die enorme Bausumme von 63.000 Mark noch übersteigen. Wie wir hören, haben die Baumeister, Maurermeister Hatje - Schulau und Zimmermeister E.Glißmann hierselbst bereits einen Bau - Kontrakt für eine bis jetzt unbekannte Summe abgeschlossen.
Anmerkung:
Es handelt sich um die Villa in Rellingen, Hauptstraße 137, die auch heute noch prachtvoll ist. Bezeichnet auch als “ Schirmer‘s Ruh “.

Dienstag, den 18. Juni 1901
Das Richtfest des eleganten Neubaues an der Rellinger Chaussee, genannt Schirmer‘s Ruh wird am Sonnabend im “ Gasthof zur Eiche “ in Pinneberg, Fahltskamp gefeiert.

Dienstag, den 25. Juni 1901
Am Sonnabend, den 22. Juni, wurde die Richtfeier der Villa “ Schirmer‘s Ruh “ festlich gefeiert. Die dazu eingeladenen Gäste trafen um 3 Uhr im Gasthof zur Eiche “ ein, woselbst gemeinschaftlicher Kaffee eingenommen wurde. Alsdann wurde der Weg zum Richtplatz angetreten. Das Hamburger Wappen prangte im reichen Flaggenschmuck auf dem Giebel des Hauses. Die Festrede wurde vom Zimmerpolier gehalten. Nach der Richtfeier wurde sämtliche an dem Bau der Villa betheiligten Gesellen und Arbeitern von dem Festgeber reichlich bewirthet. Später fand eine Besichtigung der Baumschulen des Gärtners Müller seitens der geladenen Gäste statt. Präcise 8 Uhr fanden sich die letzteren im “ Gasthof zur Eiche “ zu einem auserwählten Diner ein, woselbst dieselben in fröhlicher Stimmung bis zum letzten Zuge verweilten. Dem Gastgeber nebst Familie wurden zahlreiche Ovationen gebracht. Alsdann wurden die Gäste bei bengalischer Beleuchtung zur Bahn geleitet.

Holsteinischer Lokal - Anzeiger
Pinneberger Wochenblatt
Dienstag, den 21. Oktober 1902
(Schirmer‘s Ruh,) jene an der Rellinger Chaussee erbaute Villa in altdeutschem Stil, geht nun auch seiner inneren Ausstattung der Vollendung entgegen. Viele Pinneberger wie auch Auswärtige, Kenner und Laien, hatten dieser Tage Gelegenheit, das Innere dieses theuren Bauwerks zu besichtigen und von Jedem hörte man großes Lob über das Ganze. Prächtige, sinnige Malereien weisen die vielen geräumigen Zimmer und Salons auf, alle verschiedenartig in modernem Jugendstil gehalten, die Wände in gelben, grünen, blauen und rothen Seidenmalereien, entzückten das Auge. Nur vier obere Zimmer werden mit Tapete ausgelegt. Täuschend ähnliche Holzdecken sind durch gelungene Imitation der Malerei entstanden. 15 Kunstmaler, darunter erste Kräfte, sind beschäftigt gewesen. Nach aufgestellter Berechnung hätte ein einzelner Mann die Dekoration nicht in zwei Jahren bewerkstelligen können. Auch die übrigen Handwerker, hiesige und auswärtige, haben viele Mühe auf die ihnen übertragenen Arbeiten verwandt. Geheizt wird das Gebäude durch Dampfanlage; ebenso ist für die Wasserleitung eine Dampfpumpe und zur Beleuchtung eine Acetylenanlage vorhanden. Das durchweg neue Mobiliar trifft im kommenden Frühjahr ein und wird die Villa alsdann von der Familie Schirmer, Hamburg, bezogen.
Anmerkung
Die Villa befindet sich auf dem Grundstück Hauptstraße 137. Sie ist vom Grundriss und der äußeren Gestaltung unverändert gegenüber dem ursprünglichen Bau. Die Nebengebäude, Pferdestall, Wagenremise und Kutscherwohnung, wurden in den 5Oer/6Oer Jahren abgebrochen. Sie waren im gleichen Stil- wie das Hauptgebäude, die Villa, gestaltet. Das Grundstück umfasste ein großes Areal bis zum Oberen Ehmschen. Dieses- Areal ist in den 5Oer/6Oer Jahren parzelliert und bebaut worden (Grundstücke. Oberer Ehmschen - Ehmschenkamp). Die Villa selbst ist 1998 im äußeren Zustand renoviert worden. Es handelt sich nach wie vor um ein “ Prächtiges Gebäude “ und ist zweifellos ein Schmuckstück der Baukultur in Rellingen. Die Familie Schirmer mußte das Grundstück in den 20er Jahren aufgeben. Vermutlich aus finanziellen Gründen (1. Weltkrieg, Inflation) Ereignisse, die viele reiche Familien arm gemacht haben. Die Villa. gehörte danach dem Bankdjrektor Wilhelm Dietel bzw. dem Architekten Ernst Oelting. Heute residiert dort das Büro der beratenden Ingenieure für Grundbau, Beyer und Eickhoff.
 

Kurzübersicht “Schirmer’s Ruh”

Objekt

Zweigeschossige Villa, Putzbau mit Mauerwerksverzierungen.
Im Inneren hat sich das ursprüngliche Interieur aus der Erbauungszeit, bestehend aus aufwendigen Deckenstuckierungen, Wandgestaltungen mit Holz- und Kacheleinbauten, Fenstersituationen sowie historischen Fußbodenbelegen (Parkett/Fliesen) nahezu unversehrt erhalten. So besitzen die einzelnen Raumfolgen einen weitgehendst authentischen ursprünglichen Charakter und spiegeln in hervorragender Weise den herrschenden Zeitgeschmack und die gehobene Wohnhauskultur Anfang des Jahrhunderts wider. Schirmer’s Ruh“ ist als einfaches Kulturdenkmal registriert.

Baujahr

1901, Richtfest am 25. Juni 1901

Standort

Hauptstraße 137, 25462 Rellingen, Schleswig - Holstein

Nutzfläche

ca. 780 m²

Bauherr

Adolph, Bernhard Schirmer, „Restauranteur“ (Gastwirt) aus Hamburg;
A. B. Schirmer wurde am 22.11.1853 in Freiburg a. d. Elbe geboren. Am 07.05.1926 verstarb er in Hamburg-Altona. Er war verheiratet mit Dorothea geb. Cornels, geb. 06.03.1855 in Garding. Vermutlich fand die Eheschließung in dem Geburtsort der Frau statt. Am 18.06. [1923] gelangte er aus Rellingen/ Pinneberg kommend in Hamburg-Altona, Lessingstraße 38, zur Anmeldung.

Architekt

Otto Heinrich August Westphal
wurde am 24.7.1853 als Sohn eines Krämers in Hamburg geboren. Über sein Werk konnte lediglich in der Literatur festgestellt werden, daß er das Henckels-Solingen-Haus in der Großen Johannisstraße 11 1906/07 erbaute. Westphal war Mitglied im Architekten- und Ingenieurverein zu Hamburg und ist im Mitgliederverzeichnis 1914 aufgeführt. Laut Adreßbüchern hatte er verschiedene Geschäftsadressen, u.a. Kleine Reichenstraße 19, Mönckebergstraße 17, Neuer Wall 71 und zuletzt seine Privatadresse. Als Wohnort wird bis 1932 Fährstraße 21 angegeben, wo er vermutlich am 10.1.1932 verstarb.

Baumeister

Maurermeister Hatje, Schulau; Zimmermeister E.Glißmann “hierselbst” nach einer Zeitungsnotiz vom 8. Januar 1901

Baukosten

über 60.000 Mark nach einer Zeitungsnotiz vom 8.Januar 1901

Grundstücks größe

2.149 m²
Bis 1969 erstreckte sich das Grundstück über 200 Meter bis an den Ehmschen und umfasste 6.327 m². Es waren auch noch Nebengebäude vorhanden. Es handelte sich dabei um ein großes „Kutscherhaus“ mit Garage, Pferdestall und Wohnung sowie einem Heizungshaus, „Gasometer“ genannt, mit ein oder zwei dazugehörenden Treibhäusern. Der Garten war als großer Obstgarten gestaltet. Das Restgrundstück wurde ab 1969 aufgeteilt und verkauft; es entstanden daraus die Bauplätze Ehmschenkamp 1, 3, 5 und 7. Die Nebengebäude wurden um 1971 abgerissen

Besitzerfolge

1891-1922

A.B.Schirmer, “Restauranteur” aus Hamburg

1922

Hermann Fritz Nagel, Kaufmann aus Hamburg

1922

Carl Heinrich Sellmer, Bankier aus Hamburg

1922-1968

E.W.Dietl, Bankdirektor aus Hamburg

1968-1989

Ernst Oelting, Architekt aus Pinneberg

1989-1994

Jugend mit einer Mission (JMEM), Hamburg

ab 1994

Beyer und Eickhoff, Beratende Ingenieure aus Ellerbek

Jetzige Nutzung

Firma Beyer + Eickhoff
Die Firma der Beratenden Ingenieure Beyer und Eickhoff sind auf den Fachgebieten Bodenmechanik, Erd- und Grundbau und Umweltgeotechnik tätig.

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